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Verfassungswidrige Ungleichbehandlung durch 800 qm-Verkaufsflächenbegrenzung

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27-04-2020

VGH München-Beschluss vom 27. April 2020 – 20 NE 20.793

Der VGH München hat in einem Eilverfahren am 27. April 2020 festgestellt, dass die aktuell in Bayern geltende 800 qm- Verkaufsflächenregelung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. „Ausnahmsweise“ (Pressemitteilung des VGH München vom 27. April 2020) verzichtete das Gericht aber aufgrund der herrschenden Pandemienotlage und der kurzen Geltungsdauer der Einschränkungen bis 3. Mai 2020 darauf, die betreffenden Bestimmungen außer Vollzug zu setzen. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat als Reaktion auf die Entscheidung des VGH München inzwischen die Zulässigkeit einer nachträglichen Reduzierung einer – ursprünglich größeren – Verkaufsfläche auf maximal 800 qm anerkannt.

Gegenstand der Entscheidung

§ 2 Abs. 4 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 untersagt die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. Einzelne Betriebe waren bereits vor Inkrafttreten der 2. BayIfSMV am 20. April 2020 von dem Verbot ausgenommen, mit Wirkung vom 20. April wurden weitere Betriebe freigestellt. Seit dem 27. April 2020 dürfen auch Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel wieder öffnen. Gleiches gilt nach der § 2 Abs. 5 der 2. BayIfSMV für bisher nicht von dem Verbot ausgenommene Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser des Einzelhandels, soweit deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 qm nicht überschreiten und der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 qm Verkaufsfläche.

Der VGH München entschied nun, dass § 2 Abs. 4 und 5 der 2. BayIfSMV „aller Voraus-sicht nach“ gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Ferner sei die 800 qm- Verkaufsflächenbeschränkung so zu verstehen, dass auch Einzelhandelsgeschäfte öffnen dürfen, die ihre Verkaufsfläche auf 800 qm oder weniger reduzieren.

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG

Zur Feststellung des Verstoßes gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz hat das Gericht die für Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen sowie Buchhandlungen und den Kfz- und Fahrradhandel geltenden Ausnahmeregelungen des § 2 Abs. 4 2. BayIfSMV mit der Regelung über die Fortgeltung des Verbots für sonstige Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser mit Verkaufsräumen auf Fläche von über 800 qm verglichen.

Das Gericht sieht dabei in der Freistellung von großflächigen Buchhandlungen sowie groß-flächigem Fahrradhandel ohne Begrenzung der Verkaufsfläche eine sachlich nicht gerecht-fertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem sonstigen großflächigen Einzelhandel.

Außerdem beanstandet das Gericht im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, dass nach dem Wortlaut der Verordnung nur sonstige Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kauf-häuser im Sinne von § 2 Abs. 5 2. BayIfSMV eine Begrenzung der Kundenzahl auf einen Kunden je 20 qm sicherstellen müssen, nicht aber diejenigen Einzelhändler, die bereits vor dem 27. April 2020 öffnen durften sowie Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel.

Zulässigkeit der Reduzierung der Verkaufsfläche auf 800 qm – unmittelbare Reaktion des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege

Der VGH München weist vor dem Hintergrund des angenommenen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz darauf hin, dass die bisherige Auslegung der Verordnung, wonach eine Reduzierung der Verkaufsfläche auf 800 qm ausgeschlossen sei, keinen Bestand haben könne.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat auf diese Entscheidung unmittelbar reagiert und auf seiner Internetseite („Häufig gestellte Fragen zur Corona-Krise im Bereich Wirtschaft (ehemals Positivliste)“) klargestellt, dass eine Verkleinerung einer – ursprünglich größeren – Verkaufsfläche auf unter 800 qm im Nachhinein durch Maßnahmen wie Absperrungen aufgrund der Entscheidung des VGH München zugelassen wird. Die Betreiber dieser Einzelhandelsgeschäfte haben die Einhaltung der Regelung zur Begrenzung der Kundenzahl je 20 qm sicherzustellen. Entgegen der vom VGH München geäußerten Bedenken, soll diese Verpflichtung nach dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege aber nicht für die Geschäfte, die in § 2 Abs. 4 der 2. BayIfSMV genannt sind, gelten.

Ausblick

Zwar verzichtete das Gericht angesichts der herrschenden Pandemie-Notlage und der kurzen Geltungsdauer der betreffenden Regelungen bis zum 3. Mai 2020 darauf, die betreffenden Vorschriften außer Kraft zu setzen. Gleichwohl dürfte der Entscheidung mit Blick auf die aktuell in vielen Bundesländern streitig diskutierte Frage der Rechtmäßigkeit der 800 qm- Verkaufsflächenbeschränkung maßgebende Bedeutung zukommen. Hervorzuheben ist insoweit auch die unmittelbare Reaktion des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, das eine nachträgliche Reduzierung der Verkaufsfläche auf 800 qm zuvor ausdrücklich ausgeschlossen hat.